KI-Wandel – Microsoft-Expertin im Gespräch

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Die moderne Arbeitswelt verändert sich ständig. Von einer zunehmenden Digitalisierung über New Work bis hin zu neuen Technologien müssen Arbeitnehmer:innen anpassungsfähig bleiben. Die wohl einflussreichste Neuerung der letzten Jahre ist der Hype um künstliche Intelligenz (KI) und die Veränderungen, die ihre Integration in den Arbeitsalltag mit sich bringt. lebenswelten spricht mit Diana Iacob, Go-to-Market Lead KI/AI bei Microsoft Deutschland GmbH, über den Wandel, den diese Technologie in der Arbeitswelt auslöst.

Inhaltsverzeichnis

Boom und Bedenken - Spannungsfeld Künstliche Intelligenz

lebenswelten: Was ist dein Hintergrund bzw. wie bist du zum Thema KI gekommen?

Diana Iacob: Mein Einstieg in diesen Bereich kam durch mein Studium der Bioinformatik in München. Mit diesem technischen Hintergrund bin ich zunächst zur Polizei gegangen und habe im Bereich der KI-gestützten forensischen Datenanalyse gearbeitet. Nach einigen Jahren habe ich dann den Sprung zu Microsoft gewagt. Anfangs habe ich mich noch viel mit Machine und Deep Learning beschäftigt. Durch den Boom hin zu generativer KI hat sich hier aber vieles verändert.

Mein aktueller Fokus ist auf KI-Lösungen in der Microsoft Azure Cloud. Die bekanntesten davon sind die sogenannten Copilots – die KI-Tools von Microsoft, die entweder als sofort einsatzbereite Lösungen oder als maßgeschneiderte Anwendungen verfügbar sind. Dieses soll bei der Nutzung von Alltagsanwendungen aus dem Microsoft Kosmos, wie etwa Word oder Outlook, unterstützen, oder speziell auf die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen eines Unternehmens zugeschnitten werden. Das KI-Tool heißt jedoch bewusst Copilot und nicht Autopilot, weil es mit uns steuert und nicht für uns oder an unserer Stelle entscheidet. Es wird weiterhin emanzipierte Mitarbeiter:innen brauchen, die Entscheidungsträger sind und bleiben.

 

lebenswelten: Du hast den KI-Boom angesprochen. Wie schätzt du den Einfluss von KI in den nächsten paar Jahren auf die Anforderungen an die Qualifikationen von Mitarbeiter:innen ein?

Diana Iacob: Ich denke, es ist nicht unbedingt notwendig, super technikaffin zu sein. Ein wichtiger Faktor wird aber das Verständnis sowie die Offenheit diesen Systemen gegenüber sein. Wie kann ich oder mein Unternehmen von dieser Technologie in meiner täglichen Arbeit profitieren? Diese Schlüsselfrage wird immer häufiger gestellt werden, denn KI wird einen großen Einfluss auf die Produktivität haben. Das Tool ist eine Unterstützung und kein Ersatz für Arbeitskräfte, daher wird es wichtig sein, sich dem Thema mit einer gewissen Neugier und Begeisterung zu nähern.

 

lebenswelten: Im Zusammenhang mit KI werden auch viele Bedenken geäußert. Wie kann man damit umgehen?

Diana Iacob: Natürlich gibt es bei jeder neuen Technologie immer Bedenken. Im Fall von KI sind dies insbesondere: Datenschutz, Urheberrecht, Ethik, Voreingenommenheit sowie die viel zitierte Halluzination. Um hier Klarheit zu schaffen, braucht es Regelungen, wie zum Beispiel den KI/AI Act der EU. Dieser definiert auf einer globaleren Ebene, welche Grundregeln für alle im Umgang mit KI gelten. Darüber hinaus definieren viele Unternehmen, welche Anwendungen wie im Arbeitskontext eingesetzt werden können/sollen und welche zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind. Letztlich muss aber jeder Einzelne für sich entscheiden, wie er mit der Technologie umgeht.

Auf Anbieterseite wie Microsoft gibt es bereits Transparenz darüber, wie die einzelnen KI-Modelle durch neue Versionen erweitert, verbessert oder verändert werden. Beispielsweise werden sich Halluzinationen, also das freie Erfinden von Fakten, nie zu 100 Prozent ausschließen lassen, aber die Kurve wird mit jedem Update etwas flacher. Als Unternehmen, aber auch als Mitarbeiter, der mit KI interagiert, ist es wichtig, dies immer im Hinterkopf zu behalten.

Diana Iacob, Go-to-Market Lead KI/AI bei Microsoft Deutschland GmbH ©Diana Iacob
Diana Iacob ist Go-to-Market Lead KI/AI bei Microsoft Deutschland GmbH. Sie arbeitet aktuell vor allen Dingen mit den bekannten Copilots. ©Diana Iacob

Integration von KI-Lösungen in den Betrieb

lebenswelten: Wie bereiten sich Unternehmen am besten auf die Integration von KI-Lösungen vor?

Diana Iacob: Wir definieren immer einen Prozess mit vier Säulen der Integration. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist die Bereitschaft. Die Unternehmenskultur muss vorleben, dass KI etwas Gutes ist und einen Vorteil für das Unternehmen bringen kann. Gleichzeitig ist es wichtig, Maßnahmen aufzustellen, damit der Einsatz ethisch und datenschutzrechtlich korrekt abläuft. Ein weiterer zentraler Punkt ist, dass es einen konkreten Anwendungsfall braucht. Denn nur wenn dieser bekannt ist, kann KI für ein Unternehmen ein Problem lösen oder eine Aufgabe erleichtern. Die dritte Säule ist die Sicherstellung des laufenden Betriebs. Denn die Implementierung einer KI-Lösung ist ein fixer Zeitraum – von einigen Monaten bis zu einem Jahr – aber was passiert danach? Das ist ein neuralgischer Punkt, an dem viele Unternehmen scheitern, weil sie nicht genügend Zeit, Geld und Kompetenz investieren, um den kontinuierlichen Wandel der KI zu begleiten, um einen dauerhaften Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Natürlich ist eine der Säulen ganz einfach die Technologie. Diese muss verstanden werden und braucht die Muse des Unternehmens und ganz zentral auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die damit interagieren, sich ständig damit auseinandersetzen, die Neuerungen verstehen und daraus Ableitungen für das eigene Handeln ziehen.

Im Kern geht es darum, für jedes Unternehmen zu definieren: Was sind meine Herausforderungen, die ich mit dieser Technologie lösen möchte? Erst wenn dieser Schritt klar ist, macht es Sinn, sich dem Prozess der Integration zuzuwenden.

 

lebenswelten: Wie erweckt man als Unternehmen auch bei den eigenen Mitarbeiter:innen Begeisterung für die KI-Technologie?

Diana Iacob: Das hat viel mit Inspiration zu tun. Es muss klar sein, was sie davon in ihrem Arbeitsalltag haben. Dafür braucht es konkrete Beispiele, die direkt zeigen, wie sich KI auf Tätigkeiten auswirkt. Es ist auch wichtig, einen ROI  (Return on Investment) aufzuzeigen. Zum Beispiel wie viel Zeit durch den effizienten Einsatz von KI-Tools eingespart werden kann. Einem Mitarbeiter zu zeigen, dass eine notwendige, aber unbeliebte Aufgabe in einer halben Stunde statt in zwei Stunden erledigt ist, kann viel bewegen.

Ich rate Unternehmen immer, zwei Prozesse parallel zu starten: Einmal Bottom-up zu schauen, welche Aufgaben die Mitarbeiter:innen tagtäglich ausführen und wie KI sie dabei unterstützen kann. Und zum anderen Top-down zu schauen, wohin sich das Unternehmen und der Markt, in dem es sich bewegt, generell entwickelt und wie Technologie hier Prozesse verbessern oder vereinfachen kann. So wird sichergestellt, dass das Thema KI sowohl mit einem langfristigen Ziel als auch zum Benefit der Mitarbeiter:innen integriert wird.

Digitalisierter Arbeitsplatz ©picjumbo.com/Pexels
Der Arbeitsplatz wird immer stärker digitalisiert und auch KI gibt dem Thema noch einen zusätzlichen Aspekt. ©picjumbo.com/Pexels

Potentiale von KI am Markt

lebenswelten: Wie erkenne ich als Unternehmen das Potenzial von KI für mein Geschäft?

Diana Iacob: Dazu braucht es ein Bewusstsein auf Strategie- bzw. Management-Ebene. Wenn hier die Potenziale definiert bzw. erkannt werden, können diese in weiterer Folge für den Rest des Unternehmens abgeleitet werden. Im Wesentlichen gibt es zwei unterschiedliche Bereiche, die durch KI-Lösungen besonders beeinflusst werden können. Zum einen sind dies interne Prozesse, die durch die Technologie eine Produktivitätssteigerung erfahren. Dazu zählen HR, Legal, Compliance oder auch Finanzabteilungen. Hier ist es allerdings schwieriger, einen direkten ROI zu erheben. Einfacher ist dies im zweiten Bereich, den kundenorientierten Lösungen. Diese betreffen vor allem Vertrieb und Marketing und durch die Beobachtung der Umsatzentwicklung bzw. des Absatzes von Produkten und Dienstleistungen lässt sich ein Effekt relativ einfach feststellen.

Durch KI können auch neue Geschäftsmodelle erschlossen werden. Beispielsweise ist es nun möglich, physisch verkaufte Produkte durch Softwarelösungen mit weiteren Aspekten der Customer Experience und des Komforts im Kundenkontakt aufzuladen. KI kann also auch helfen, neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln oder bestehenden neue Facetten zu geben.

 

lebenswelten: In welchen Branchen wird KI heute schon stark genutzt und wo siehst du große Potentiale?

Diana Iacob: In Deutschland sind es bisher vor allem die Automobilindustrie, Manufacturing (Produktion) und FSI (Finanzen), in denen KI bereits in großem Umfang eingesetzt wird. Hier wurden schon vor dem aktuellen Hype um das Thema die Grundlagen geschaffen, um einen Mehrwert aus der Technologie zu ziehen. Aktuell sind natürlich viele Spaten dabei, herauszufinden, wie auch sie KI-Modelle in ihre Unternehmen integrieren können, um davon zu profitieren.

Speziell im Manufacturing ist es noch schwierig, da die Daten, auf denen ein KI-Modell aufbauen kann, nicht vorhanden sind. Erst wenn diese ‚technischen Schulden‘ aufgeholt sind, kann über die Implementierung von KI nachgedacht werden. Gerade im Bereich Kundenservice bzw. Kundenerfahrungen sehen wir großes Potenzial – ein gutes Beispiel ist der neuen AI Banking Avatar der Commerzbank.

Ich bin sehr gespannt, welche Entwicklungen und Innovationen in den nächsten Jahren entstehen und wie sie die Arbeitswelt weiter verändern werden. Insgesamt sehe ich aber die Integration von KI in den Arbeitsalltag als großen Gewinn für die Zukunft.

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