Titelbild: ©iStock.com/Larisa Stefanuyk
Beim Wort „Fernwärme“ denkt man meist an Städte und mehrgeschossige Wohnhausanlagen. Aber auch im ländlichen Raum sind leitungsgebundene Wärmeversorgungssysteme auf dem Vormarsch. Im Pinzgau arbeitete ein Projektteam an der Verbesserung von biomassebasierten Wärmenetzen.
Dieser Gastartikel wurde von Ing. Mag. Ludwig Fliesser vom Green Energy Lab und Dipl.-Ing. (FH) Joachim Kelz vom AEE – Institut für Nachhaltige Technologien verfasst.
Inhaltsverzeichnis
Fast jeder vierte Haushalt in Österreich verfügt über einen Fernwärmeanschluss. Abgesehen von den großen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in einigen Landeshauptstädten, gibt es bundesweit rund 2.500 kleinere und mittelgroße Wärmenetze. Insbesondere im ländlichen Raum werden diese meist mit Biomasse befeuert. Um Kapazitätsengpässe zu überbrücken und Ausfälle zu kompensieren sowie die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist in der Regel auch ein Öl- oder Gaskessel vorhanden, der zugeschaltet werden kann. Im Kampf gegen den Klimawandel sowie zur Einsparung von Emissionen ist es notwendig, fossile Brennstoffe wie Heizöl und Erdgas so wenig als möglich einzusetzen und stattdessen lokal vorhandene Ressourcen wie z.B. Biomasse, Abwärmequellen und Sonnenenergie zu verwenden.
Ressourcen schonen, Emissionen sparen
Auch wenn die Verbrennung von Biomasse als CO2-neutral angesehen werden kann, gilt es, den Rohstoff so effizient wie möglich zu nutzen und das Maximum an Wärmeenergie herauszuholen. Dazu hat sich ein Projektteam rund um Joachim Kelz von der AEE INTEC zusammengetan und das Projekt BM Retrofit gestartet. Die Salzburg AG ist zentrale Partnerin und es werden zwei ihrer Wärmenetzstandorte betrachtet. Im Rahmen des Projekts wird das Fernwärmesystem in Saalfelden am Steinernen Meer und Wald im Pinzgau bearbeitet.
In Saalfelden handelt es sich um ein typisches, ländliches Wärmenetz mit einer Länge von fünf Kilometern und 52 Wärmekund:innen. Die Befeuerung erfolgt über einen Biomassekessel mit 2,5 Megawatt. Zur Notversorgung und Spitzenlastabdeckung dient ein Gaskessel mit 5 Megawatt Leistung. Im Zeitraum von 2020 bis 2025 wurde die Anlage in einem mehrstufigen Prozess modernisiert. Zunächst wurde das Kesselsystem umfassend modernisiert, eine Wärmerückgewinnung durch Nutzung der Restwärme im Kamin realisiert sowie ein Pufferspeicher eingebaut. Das bedeutet, dass ein Großteil der Wärme, die zuvor über den Schornstein entwichen ist, nun ebenfalls für die Fernwärme genutzt werden kann. Anschließend wurde ein Wärmepumpensystem installiert, um die Effizienz der Wärmerückgewinnung weiter zu steigern. Um der Nachfrage an Kundenanschlüssen gerecht zu werden, wurde die Hauptleitung des Wärmenetzes verstärkt und die Regelungsstrategie des Heizkessels mittels moderner Sensorik verbessert.
Umwelteffekte der Modernisierung in Saalfelden
Die vielfältigen Maßnahmen zur Modernisierung führten zu einer wesentlichen Erhöhung der Energieeffizienz des Biomassekesselsystems. Der Anteil an Erdgas im Energiemix konnte, bei gesteigerter Wärmeerzeugung, deutlich reduziert werden: Jährlich werden bis zu 1.000 MWh Gas eingespart und rund 4.000 MWh Mehrertrag aus dem Biomasse-Kesselsystem inklusive der Wärmerückgewinnungsanlage erwirtschaftet. Dies ermöglichte den Ausbau des Wärmenetzes und den Anschluss von 15 neuen Wärmekunden, die künftig mit hocheffizienter und klimafreundlicher Fernwärme versorgt werden. Die direkten CO2-Einsparungen durch den verringerten Einsatz von Erdgas betragen etwa 230 Tonnen pro Jahr. Lokale Schadstoffemissionen konnten gesenkt, und der WirkungsgradDer exergetische Wirkungsgrad wird eingeführt, um bei der Beurteilung von Energiewandlern den Wert der beteiligten Energiearten berücksichtigen zu können. Am Beispiel einer Raumheizung werden energetischer… deutlich verbessert werden. Das wirkt sich wiederum positiv auf den Brennstoffverbrauch aus.
Mangelnde Auslastung des Kessels im Sommer
Wald im Pinzgau ist ein malerisches Dorf an der Salzach. Das dortige Heizwerk verfügt über einem 1-Megawatt-Biomasse-Kessel für 60 Wärmekunden, zusätzlich ist ein Ölkessel mit 1,5 Megawatt Leistung installiert. Die Ortschaft Wald ist vor allem im Winter von Touristen bevölkert, der Wärmebedarf ist in der kalten Jahreszeit entsprechend hoch. Im Sommer lief der Biomassekessel bisher hingegen nur auf „Sparflamme“ mit einer sehr geringen Last. Jeder, der selbst schon einmal mit Holz geheizt hat, weiß, was das bedeutet: Wird der Kessel nicht ordentlich befeuert, sinkt die Effizienz und es kommt zu einer stärkeren Rauchentwicklung durch die unvollständige Verbrennung. Das ist auch bei einem großen Biomassekessel in Heizwerken ähnlich.
Wasserkraft für die Fernwärme?
Für den Sommerbetrieb wurde in Wald im Pinzgau eine ganz spezielle Lösung entwickelt. Das Heizhaus steht nämlich in unmittelbarer Nähe zu einem WasserkraftwerkFolgende Arten von Wasserkraftwerken gibt es in Österreich: • Laufwasserkraftwerke nutzen den natürlichen Fluss des Wassers, um Turbinen anzutreiben und daraus Elektrizität zu erzeugen. Sie…, mit dem nachhaltiger Strom erzeugt wird. Was viele nicht wissen: auch ein Wasserkraftwerk, konkret dessen Generator, muss gekühlt werden. In Wald wurde eine besondere Synergie geschaffen, indem das erwärmte Kühlwasser des Generators direkt ins nebenan gelegene Heizhaus geleitet wird. Es dient dort als Energiequelle für eine Wärmepumpe, die den Fernwärmekreislauf erwärmt und damit die Wärmekunden beliefert. Zusätzlich wurde ein elektrischer Durchlauferhitzer installiert, um bei Bedarf die Wärmenetztemperatur weiter zu erhöhen. Mit diesem innovativen Konzept in Kombination mit der Errichtung eines Pufferspeichers kann der Einsatz des Ölkessels vermieden werden. Außerdem entfällt im Sommer die Befeuerung des Biomassekessels durch den Einsatz der Wärmepumpe komplett. Jährlich werden so bis zu 10.000 Liter Öl und 1.000 Schüttraummeter Hackgut sowie 31 Tonnen CO2 eingespart. Durch den optimierten Betrieb kommt es außerdem zu einer direkten Reduktion der lokalen Schadstoffemissionen. Darüber hinaus profitiert die Bevölkerung von einem verringerten Transportaufkommen für die Anlieferung von Biomasse.
Musterlösungen für die Wärmewende
Biomasse-basierte Fernwärmesysteme können einen entscheidenden Beitrag für die Ökologisierung der Wärmeversorgung in Österreich leisten. Durch die im Projekt „BM Retrofit“ entwickelten Lösungen kann die Effizienz solcher Wärmenetze gesteigert und der Einsatz von fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas und damit verbundene Treibhausgasemissionen stark reduziert werden. Gleichzeitig wird die Effizienz der Anlagen erhöht sowie der Schadstoffausstoß und der Verbrauch von Biomasse verringert. Das haben die Beispiele Wald im Pinzgau und Saalfelden deutlich gezeigt.
Letztendlich geht es im Forschungsvorhaben aber nicht nur um erfolgreich modernisierte Einzelstandorte, sondern um die Entwicklung von Musterlösungen für eine nachhaltige Wärmezukunft insgesamt. Durch eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Technologieanbietern, Planern und Energieversorgern wie der Salzburg AG ist es möglich, Neuentwicklungen direkt umzusetzen und dabei Erkenntnisse im realen Betrieb zu gewinnen. Die beispielhaften Umsetzungen können in Folge auch auf andere, vergleichbar Anlagen angewandt werden. Damit trägt „BM Retrofit“ entscheidend dazu bei, im großen Maßstab CO2-Emissionen einzusparen. Das ist auch der Kernansatz, den die Forschungsinitiative Green Energy Lab verfolgt, in dessen Rahmen das Projekt mit finanzieller Unterstützung des Klima- und Energiefonds umgesetzt wurde.
Nähere Informationen zum Projekt findest du unter:
Auch Salzburg AG TV war vor Ort und hat sich ein Bild von den innovativen Methoden der Fernwärmeerzeugung aus Abwärme in Saalfelden und Wald gemacht:
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