Das Potenzial der Salzach für die Gewinnung von grünem Strom ist großteils ausgereizt. Das Kraftwerksprojekt Stegenwald zeigt aber mit innovativer Technik: Da geht noch einiges! Für die Energiewende und die Menschen in der Region. Bauleiter Herwig Berkenhoff erzählt, was die neue Anlage so besonders macht und warum er jeden Tag auf der Baustelle spannend findet.
„Wasserkraft ist der Champion der erneuerbaren Energie“ – damit unterstreicht Vorstand Michael Baminger, warum die Salzburg AG bei der Stromerzeugung weiterhin stark auf diese bewährte Quelle setzt: Sie ist nachhaltig und emissionsfrei, liefert im Vergleich zu Wind und Sonne stets zuverlässig und stärkt die regionale Wirtschaft.
Der Ausbaugrad bei Wasserkraftwerken ist im Einzugsbereich allerdings schon sehr hoch, die ohnehin schon gute Effizienz der bestehenden Anlagen lässt sich kaum noch nennenswert steigern. Was also tun, um das Ziel des Landes Salzburg zu erfüllen, das bis 2050 klimaneutral und energieautonom sein will? Und auch die Salzburg AG-Gruppe hat sich mit der Ambition „Decarbonizer“ als Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen aller Aktivitäten der Unternehmensgruppe bereits bis 2030 um 50 Prozent zu reduziert.
Inhaltsverzeichnis
Grüner Strom für 20.000 Haushalte
Das Salzach-Kraftwerk Stegenwald ist dabei ein bedeutsamer Puzzlestein. Ab Mitte 2025 wird das Neubauprojekt in Werfen, in das Salzburg AG und VERBUND als Partner 100 Millionen Euro investieren, mit fast 74 Gigawattstunden so viel grünen Strom produzieren, wie rund 20.000 Haushalte im Schnitt pro Jahr verbrauchen. Das entspricht der Größenordnung von Hallein, der zweitgrößten Stadt im Bundesland.
Saubere, nachhaltige Energiegewinnung aus der Region für die Region, und das dank ökologischer Begleitmaßnahmen mit geringstmöglichem Eingriff in die Natur: Das macht eine segensreiche Kombination aus innovativem Design und modernster Technik möglich.
2,5 Jahre: Noch nie wurde ein Salzach-Kraftwerk so fix gebaut
Mit nur zweieinhalb Jahren Bauzeit wird Stegenwald außerdem so schnell realisiert wie zuvor noch kein anderes Kraftwerk an der Salzach, weiß Bauleiter Herwig Berkenhoff von der Salzburg AG. Vom eingereichten Plan bis zur Genehmigung des Projekts hat es viermal so lang gedauert – künftig wird es gestraffte Abläufe in den Verfahren benötigen, um die Klimaziele zeitig zu erreichen.
Stegenwald ist das vierte Großprojekt, bei dem Berkenhoff die Bauaufsicht inne hat. Welche Highlights und Herausforderungen gerade dieses Kraftwerk für ihn zu einem „echt genialen Job“ machen, verrät der 39-jährige Ingenieur aus Bad Goisern im lebenswelten-Interview.
lebenswelten: Baustart für das Kraftwerk Stegenwald war im Februar 2023. Was ist bis jetzt schon alles passiert und welche Aufgabe hast du dabei?
Herwig Berkenhoff: Wir befinden uns jetzt etwa bei der Halbzeit des Baus und sind gerade mitten in den Betonbauarbeiten. Bis jetzt haben wir die Zufahrt und die Umschließung der Baugrube errichtet, ab Sommer/Herbst folgt der Anlagenbau.
Ich habe die Leitung der örtlichen Bauaufsicht und damit die Verantwortung für die ordnungsgerechte Bauweise und die Einhaltung des Budgets. Wir bauen nicht jeden Tag ein solches Kraftwerk, umso mehr freut es mich, dass ich jetzt hier sitzen darf und die Chance bekommen habe mitzuwirken.
lebenswelten: Welche Eigenschaften muss man persönlich mitbringen, um eine solche Großbaustelle gut abwickeln zu können?
Herwig Berkenhoff: Wir haben hier eine Bauzeit von nur zweieinhalb Jahren und daher einen sehr engen Terminplan. Das ist einerseits gut, andererseits koordinativ eine Herausforderung.
Man muss flexibel sein und die Ruhe bewahren können. Auf einer Baustelle wird der Ton manchmal auch rauer. Ich bin eher der Typ, der lieber Probleme analysiert und eine Lösung sucht anstatt direkt laut zu werden.
„An manchen Tagen ist man nur Trouble-Shooter“
lebenswelten: Erlebst du im Tagesgeschäft auch brenzlige Situationen, die dich an deine Grenzen bringen?
Herwig Berkenhoff: Man kann sich vor einer Herausforderung fürchten oder sich ihr stellen – ich habe keine Angst. Natürlich gibt es Tage, wo man nur Trouble-Shooter ist. Aber ich kenne meine Möglichkeiten und habe auch die technische Erfahrung, die man braucht, um in heiklen Situationen schnell reagieren zu können.
lebenswelten: Welche örtlichen Gegebenheiten machen den Bau des Kraftwerks zusätzlich herausfordernd?
Herwig Berkenhoff: Das sind die sehr beengten Platzverhältnisse; auf der einen Seiten haben wir die ÖBB-Bahnstrecke, auf der anderen Seite die Anrainer:innen. Deshalb haben wir von drei Wehrfeldern, die ein klassisches Salzach-Kraftwerk normalerweise hat, um Hochwasser abzuführen, auf zwei reduziert.
lebenswelten: Worin besteht die technische Innovation dabei?
Herwig Berkenhoff: Sollte ein Wehrfeld ausfallen, erfolgt die Hochwasserabfuhr über dem Krafthausbereich. Das ist völlig neu und das erste Kraftwerk, das wir so bauen. Daraus hat sich ergeben, dass die TU Graz für uns ein komplett neues Turbinenkonzept entwickeln musste. Die Umlenkung der Wasserströme erfolgt vor der horizontal eingebauten Turbine.
Kraftwerk und Salzach im Maßstab 1:40 nachgebaut
lebenswelten: Wie konnte man sich vergewissern, dass dieses neue Konzept in der Praxis funktioniert?
Herwig Berkenhoff: Es gab dazu einen physischen Modellversuch, das heißt: Das gesamte Projekt – das Originalgerinne der Salzach mitsamt dem Krafthaus – wurde im Maßstab 1:40 im Wasserbaulabor der TU Graz nachgebaut.
Dort wurden auch Wasser-Simulationen durchgeführt, zum Beispiel mit einem 100-jährlichen Hochwasser. Aus diesen Versuchen konnten wir wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die wir bautechnisch jetzt genauso umsetzen.
lebenswelten: Welches Baustellen-Highlight folgt als nächstes?
Herwig Berkenhoff: Der nächste entscheidende Termin ist die Errichtung der Krafthausbrücke. Sie ist circa 50 Meter lang und führt über das gesamte Kraftwerk. Die Brücke ist deshalb so wichtig, weil die TurbinenFolgende Turbinen werden in Wasserkraftwerken eingesetzt: • Francis-Turbine: Die Francis-Turbine ist nach dem Ingenieur James B. Francis aus den USA benannt. Sie ist eine sehr universell einsetzbare Wasserturbine, bei welcher das Laufrad radial von außen… als Maschinensatz werksgefertigt hier angeliefert und dann eingebaut werden. Dafür haben wir vorerst eine größere Öffnung im Beton gelassen, die wir erst nach diesem Einbau schließen werden. Das heißt, rund um die Turbine wird nach deren Einbau betoniert.
Ein Maschinensatz wiegt etwa 132 Tonnen, der schwerste Teil davon ist der Generator mit 35 Tonnen. Bis zur Anlieferung Ende Juli muss die Brücke fertig sein. Es ist aber realistisch, dass wir diesen Termin einhalten können.
lebenswelten: Ein Kraftwerksbau bedeutet immer auch einen Eingriff in die Natur. Was wird unternommen, um diesen Eingriff so schonend wie möglich zu gestalten?
Herwig Berkenhoff: Was mir persönlich sehr wichtig ist: Wir bauen hier ein Kraftwerk in einer Dimension, die sich mit der Natur gut vereinbaren lässt. Erfahrene Expert:innen haben eine umfassende Begleitplanung für ökologische Sondermaßnahmen erstellt.
Wir werden den gesamten Salzachschotter aus dem Unterwasserbereich im Oberwasser wieder einbringen. Dadurch erreichen wir dort eine Anhebung der Sohle, so behält die Salzach zu einem großen Teil ihren Fließcharakter.
Wir gestalten die Bauwerke so, dass die Ansiedelung für Tiere später einfacher wird. Dazu werden zum Beispiel Flussabschnitte mäandrierend ausgeformt und bei der Ufersicherung werden aus der Steinschlichtung 20 Prozent der Steine 40 bis 50 Zentimeter herausragen. Damit realisieren wir den neuesten Stand der Technik.
lebenswelten: Welche Maßnahmen gibt es sonst noch zum Wohl für Fauna und Flora?
Herwig Berkenhoff: Das Kraftwerk wird ja, neben der Salzach, errichtet und der Fluss wird nach der Fertigstellung dorthin umgeleitet. Im alten Flussbett bieten sich dann auf 500 Metern eine Menge Möglichkeiten für ökologische Maßnahmen.
Es wird eine naturnahe Fischaufstiegshilfe geben und wir stellen Nist- und Laichplätze wieder her. Vor dem Baustellenbetrieb wurden Eidechsen, Schlangen usw. in Kübeln abgesammelt und in passend gestalteten Ersatzlebensräumen, zum Beispiel Asthaufen, wieder ausgesetzt. Darauf haben wir besonderes Augenmerk gelegt; an Spitzentagen wurden bis zu 183 Tiere aus dem Baufeld umgesiedelt.
Ein Gewinn für das Klima und die ganze Region
lebenswelten: Welche Bedeutung hat das Kraftwerk …
… für die Region?
Herwig Berkenhoff: Hier zählen mehrere Faktoren. Wir schaffen Versorgungssicherheit aus erneuerbarer Energie für 20.000 Haushalte; der Strom wird hier ins Netz der Salzburg AG eingeleitet und steht primär direkt vor Ort zur Verfügung.
Mit 90 Prozent bleibt der Großteil der Wertschöpfung durch das Projekt in Österreich. Wir beschäftigen lokale Anbieterfirmen, hier arbeiten Leute aus allen Salzburger Gauen. Das stärkt natürlich die gesamte Region.
Außerdem bauen wir Geschiebesperren an den Seitenzubringern der Salzach, was einen gewissen Hochwasserschutz bietet – für die Anrainer:innen, die Grundstücke, aber auch für die angrenzende ÖBB-Strecke und die stark befahrene B159.
… für die Energiewende?
Herwig Berkenhoff: Stegenwald ist ein weiterer Puzzlestein in Richtung Unabhängigkeit, um Strominporten entgegenzusteuern. Bei uns sind noch viele andere Erneuerbare Energie-Projekte in der Pipeline, wir forcieren Wind und Photovoltaik. Aber wenn man die Möglichkeit hat, aus Wasserkraft einen solchen Nutzen zu ziehen, sollte man das unbedingt machen.
Zudem wird auch ein wichtiger Beitrag zu unserer „Decarbonizer“-Ambition geleistet. Die sechs Ambitionen leiten tagtäglich unser Handeln und sind Bekenntnisse für eine Green Tech Zukunft.
lebenswelten: Die Salzburg AG hat an der mittleren Salzach schon mehrere Kraftwerke mit dem VERBUND realisiert, Stegenwald ist ein weiteres Gemeinschaftsprojekt. Welche Vorteile ergeben sich aus dieser Partnerschaft?
Herwig Berkenhoff: Beide Unternehmen haben sehr umfangreiche Aufgabengebiete. Der riesengroße Mehrwert dieser Partnerschaft ist, dass man auf das Know-how beider Zugriff hat und bei Problemen einen breiten Fächer an Ideen sammeln kann, um gute Lösungen zu finden. Das ist eine gute und gern gelebte Partnerschaft, in der sich gegenseitig großes Vertrauen entwickelt hat.
Ein ganzer Fluss wird umgeleitet
lebenswelten: Welche großen Bauschritte stehen noch an, bevor das Kraftwerk zur Jahresmitte 2025 ans Netz geht?
Herwig Berkenhoff: Bis zum Jänner ist die Trocken-Inbetriebnahme geplant. Davor erfolgt noch der Flussbau für die Umleitung der Salzach zum Krafthaus, Ende März können wir dann die Nass-Inbetriebnahme machen. Dann werden wir sehen, ob alles so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben.
„Ich freue mich auf jeden einzelnen Tag!“
lebenswelten: Im LinkedIn-Video der Salzburg AG bezeichnest du deinen Einsatz in Stegenwald als „echt genialen Job“. Auf welche kommenden Highlights freust du dich besonders?
Herwig Berkenhoff: Prinzipiell freue ich mich auf jeden Tag, wo auf der Baustelle etwas weitergeht. Natürlich sind Tage erfüllender, an denen man eine Menge Probleme lösen konnte. Es ist die Kombination aus einem geregelten Ablauf und andererseits dem kreativen Gestalten, die eigentlich jeden Tag spannend macht.
Was mir auch noch wichtig ist zu sagen: Die Zusammenarbeit mit den Anrainer:innen funktioniert extrem gut – das ist nicht selbstverständlich und haben wir auch schon anders erlebt. Dafür an dieser Stelle ein großes Dankeschön!
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