Doppelte Ernte: Im Sonnen.Park Eugendorf gewinnen Bauern, Bürger & Energiewende

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Auf einer begrenzten Fläche möglichst viel grünen Solarstrom erzeugen und den Boden gleichzeitig landwirtschaftlich nutzen: Das gelingt im Sonnen.Park Eugendorf dank innovativer Technologie. Bei diesem Vorzeigemodell gewinnen alle – die regionale Bevölkerung, der bäuerliche Grundbesitzer und die Energiewende. Projektleiter Markus Kraus erklärt im lebenswelten-Interview, wie das genau funktioniert.

Inhaltsverzeichnis

Die Dekarbonisierungsziele der Salzburg AG sind ambitioniert – der zusätzliche Bedarf allein an Sonnenstrom liegt bei 11 Terrawattstunden. Für Salzburg mit seinen – im Vergleich zu anderen Bundesländern – begrenzten Flächen-Ressourcen ist das eine spezielle Herausforderung. Mit dem Pilotprojekt Sonnen.Park Eugendorf zeigt die Salzburg AG, wie man diese Hürde elegant nehmen und dabei noch einen Doppelnutzen erzielen kann.

Wertschöpfung für die ganze Region

Anfang 2024 entstand hier auf rund 6 Hektar die größte Agri-PV-Anlage im Salzburger Land. Das System Agri-PV kombiniert Grünlandbewirtschaftung mit Stromgewinnung. „Schlanke“ Solarzäune bieten reichlich Stromertrag und lassen dem Grundbesitzer genug Platz zum Mähen seiner Wiese. Der Sonnen.Park liefert also gleich mehrfach ab, wie auch Salzburg AG-Vorstand Michael Baminger betont: Mit dieser „ersten Freiflächenanlage im Bundesland setzen wir neue Maßstäbe für die regionale Produktion von Sonnenenergie, tragen maßgeblich zur CO2-Reduktion bei und generieren Wertschöpfung.“

Mit welchen technischen Finessen die leistungsstarke, offiziell im September eröffnete Anlage glänzt und welche innovativen PV-Projekte die Salzburg AG sonst noch in der Pipeline hat, erzählt Projektleiter Markus Kraus im lebenswelten-Interview.

lebenswelten: Welche Leistung bringt der Sonnen.Park Eugendorf und welche Bedeutung hat das für die Region?

Markus Kraus: Der Sonnen.Park Eugendorf hat eine Leistung von 2,2 MWp und erreicht eine Jahreserzeugung von 2,6 Millionen kWh. Damit kann man den jährlichen Strombedarf von rund 650 Haushalten durch saubere Sonnenenergie decken.

Der zweite Pluspunkt ist die regionale Wertschöpfung: Wir wollten keine vollflächige PV-Anlage bauen und damit viel wertvollen Boden versiegeln, sondern Landwirtschaft und Energieerzeugung sinnvoll kombinieren. Mit dem hier errichteten System ist das sehr gut möglich. Tatsächlich sind nur zwei Prozent der Fläche überbaut.

Agri-PV Sonnen.Park Eugendorf ©Salzburg AG
Die Anlage nutzt jene Fläche, die auch von den Landwirt:innen noch bewirtschaftet werden kann. ©Salzburg AG

„Mähen und düngen – alles kein Problem“

lebenswelten: Wie genau profitiert die Landwirtschaft von dem Agri-PV-System, das hier zum Einsatz kommt?

Markus Kraus: Beim klassischen System der Flächen-PV-Anlage sind die Module horizontal angeordnet und 20 bis 30 Grad geneigt. Den Raum darunter zu bewirtschaften, ist relativ schwierig.

Die Solarzäune in Eugendorf brauchen hingegen nur 20 Zentimeter Platz, alles andere kann man landwirtschaftlich nutzen. Wir haben schon mehrfach vor Ort gesehen, dass der Landwirt hier gut mähen kann, auch das Düngen ist kein Problem. Das macht die Anlage doch sehr besonders.

 

lebenswelten: Womit punktet der Sonnen.Park gegenüber konventionellen PV-Anlagen noch?
Module von Dach-PV-Anlagen erzeugen Energie auf der Seite, auf die die Sonne einstrahlt. Wir setzen bifaziale Glas-Module ein, die von beiden Seiten produzieren können. Die eine Seite hat bis zu 100 Prozent Leistung, die andere bis zu 95 Prozent.

Die Zaunreihen verlaufen von Norden nach Süden, das heißt, eine Modulseite zeigt nach Osten, die andere nach Westen. Dadurch fangen wir Morgensonne zeitig ein – sobald sie aufgeht, produziert die Anlage auch schon.

Im Sommer haben wir den ersten Leistungs-Peak schon in den frühen Morgenstunden, wenn wirklich viel Energie benötigt wird. In der Mittagszeit, wenn der Bedarf geringer ist, flacht diese Erzeugungs-Kurve etwas ab und erreicht am späten Nachmittag und frühen Abend wieder den Peak. Teilweise startet die Anlage schon um 6 Uhr und produziert durchgehend bis 20 Uhr, das hat auch unser Monitoring-System gezeigt. Die Anlage ist als Volleinspeiser geführt, sprich die gesamte erzeugte Energie wird direkt ins Netz eingespeist.

 

lebenswelten: Zu Mittag ist die Sonneneinstrahlung am intensivsten. Warum macht es Sinn, die Stromproduktion stärker in Randzeiten – also morgens und abends – zu verlagern?
Markus Kraus: Gängige Anlagen, zum Beispiel auf Dächern, sind meist nach Süden ausgerichtet. Dadurch wird an schönen Sommertagen zu Mittag meist viel mehr Energie produziert als gebraucht und es kommt zu einer Energie-Überproduktion. Mit dem System in Eugendorf wird die Erzeugung an die Randzeiten verschoben (dort ist der Bedarf vorhanden) und zusätzlich ergibt sich eine bessere Verteilung im Netz. Dies führt wiederum zu einer Stabilisierung des Netzes.

Mit einem System wie in Eugendorf kann eine Doppelnutzung der Fläche für Energiethemen wie auch für die Landwirtschaft erzielt werden. Durch die Energieproduktion in den Randzeiten kann zusätzlich eine positiver Mehrwert durch die Anlage gewonnen werden.

lebenswelten: Wie waren die ersten Erfahrungen in den Wintermonaten 2023, wo die Ausbeute an Sonnenstrom gewöhnlich eher mager ist? Zu dieser Zeit befand die Anlage ja bereits im Testbetrieb.

Markus Kraus: Natürlich ist der Ertrag durch die geringere Anzahl von Sonnenstunden etwas nach unten skaliert. Aber der positive Effekt ist, dass auf den Modulen wegen ihrer vertikalen Anordnung kein Schnee liegen bleibt bzw. nur kurzzeitig anhaftet. Wenn die Sonne zum Vorschein kommt und die Anlage produziert, erwärmen sich die Module und der Schnee rutscht ab.

Das ist gegenüber konventionellen Anlagen natürlich ein großer Pluspunkt. Außerdem: Wenn der Boden mit Schnee bedeckt ist, kommt zur direkten Sonneneinstrahlung auf das Modul noch die Reflektion vom Boden hinzu. Das erhöht die Effizienz und die Erzeugung.

Im Winter schneidet die Anlage in Eugendorf nach unseren Erkenntnissen durchaus besser ab als eine klassische, nach Süden ausgerichtete PV-Anlage.

Forscher durchleuchten Lebensraum

lebenswelten: Was steckt an Forschungs-Know-how in der Eugendorfer Anlage?
Markus Kraus: Unser Kooperationspartner, die Firma Next2Sun aus Saalfelden, beschäftigt sich seit Jahren mit dem innovativen Zaunsystem. Hinsichtlich einer möglichst kleinen Flächennutzung und einer möglichst hohen Energiegewinnungsrate. Gemeinsam mit unserem Partner wurde das Anlagenlayout für diesen Standort und die geplante Bewirtschaftungsform angepasst. 

Hinsichtlich Forschung beschäftigen wir uns in Eugendorf aktuell vor allem mit dem Thema Biodiversität. Auf dem Grundstück wurden Blühstreifen gepflanzt und mit Stein- und Totholzhaufen zum Rückzug für Kleintiere aufgewertet. Dazu gibt es noch einen Gehölzstreifen als Lebensraum und Korridor, in dem Wildtiere die Anlage ungehindert passieren können.

Wir arbeiten mit dem Forschungsinstitut für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein (Bezirk Liezen, Steiermark, Anm.) zusammen, um festzustellen, wie sich der Bewuchs zwischen den Modulen entwickelt. 2025 werden meteorologische Sensoren verbaut, um die Wasserbilanz, Feuchte und Temperatur des Bodens zu messen. Davon erhoffen wir uns Aussagen, welche Vorteile dieses System für den Boden hat. Die Solarzäune sind zum Beispiel auch Schattenspender, das macht natürlich gerade auf Standorten mit wenig Niederschlag Sinn. Auch die Auswirkungen auf den Ertrag der Wiese werden analysiert.

Markus Kraus, Projektleiter PV bei der Salzburg AG, bei der Agri-PV Anlage in Eugendorf ©Salzburg AG
Markus Kraus kann stolz auf sein Projekt blicken. Mit der Agri-PV Anlage in Eugendorf wurde ein tolles Ergebniss erzielt. ©Salzburg AG

Tracker-System: der Sonne immer auf den Fersen

lebenswelten: Worauf konzentriert sich die PV-Sparte der Salzburg AG in Sachen Forschung aktuell sonst noch?

Markus Kraus: Momentan tut sich extrem viel bei den Systemen für die Unterkonstruktion von PV-Modulen. Zum Beispiel werden wir demnächst in Göming, nördlich von Salzburg, ein Tracker-System einsetzen. Ähnlich wie bei der Zaunanlage sind die Module in Reihen montiert, lassen sich aber von Osten nach Westen schwenken und folgen somit der Sonne. Wenn der Landwirt zum Bewirtschaften kommt, werden diese Module komplett senkrecht gestellt und man kann ohne Einschränkung dazwischen hindurchfahren.

Wir sind mit vielen Unternehmen in Kontakt und setzen gerade mehrere Systeme ein um zu sehen, welche für den landwirtschaftlichen Betrieb am hilfreichsten sind. Immer mit dem Fokus: Wie lässt sich Landwirtschaft mit nachhaltiger Energieerzeugung am besten kombinieren und mit welchem System versiegeln wir möglichst wenig Fläche.

Bürger:innen profitieren durch "grünes Investment"

lebenswelten: Die Salzburg AG hat einen Teil der Investition für den Sonnen.Park – insgesamt 2,6 Millionen Euro – über Crowdfunding finanziert. Wie groß war das Interesse der Bürger:innen, Geld in dieses Projekt zu stecken?
Markus Kraus: Es war von Anfang an klar, dass wir die Bürger:innen an einem solch wegweisenden Projekt teilhaben lassen wollen. Über unsere Ausschreibungsplattform investing.green haben wir 250.000 Euro in drei Stufen freigeschaltet. 

Zuerst konnten die unmittelbaren Grundanrainer:innen eine gewisse Zeit lang investieren, danach haben wir die Einwohner:innen der Gemeinde Eugendorf freigeschaltet und erst danach die breite Masse.

Das Investment war sehr schnell ausverkauft (nach nur acht Stunden, Anm.). Ich denke, das liegt daran, dass bei vielen der grüne Gedanke schon da ist. Auch die Anrainer:innen haben wiederholt betont, dass sie den Sonnen.Park für ein tolles Projekt halten und mitwirken wollen.

Willkommene Schattenspender für Legehennen

lebenswelten: Die Tracker-Anlage in Göming kam schon zur Sprache – wo habt ihr aktuell noch innovative PV-Projekte fix geplant?
Markus Kraus: Aktuell setzen wir drei Projekte um, jedes mit einem anderen System. Am Salzburgring ist generell eine Neuausrichtung hin zu grüner Energie geplant. Dort werden wir hoffentlich noch heuer mit dem Bau beginnen, die Fläche dort wird zum Weiden von Schafen genutzt.

An dem Projekt in Lamprechtshausen sind wir mit 40 Prozent beteiligt, dort geht es um einen Betrieb mit Hühnerhaltung. Der Grundeigentümer hat für seine mehrere tausend Legehennen einen riesigen Auslauf, den sie aber nur zum Teil nutzen. An Sonnentagen war es den Hühnern bisher zu heiß und es fehlte der allgemeine Schutz vor Greifvögeln.
Deshalb setzen wir ein System ein, dessen Module wie ein natürlicher Schutz wirken, damit die Tiere wieder die ganze Fläche benützen. Von ähnlichen Anlagen weiß man, dass das in der Praxis funktioniert.

Markus Kraus hat sich zudem die Zeit genommen und in einem kurzen Video über Schlüsselmomente in der Planung, Umsetzung und bei den laufenden Herausforderungen gesprochen.

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