Die Bedeutung der Wasserkraft

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Markus Matschl ist seit über 30 Jahren bei der Salzburg AG im Bereich Wasserkraft tätig. Heute ist er als Leiter Erneuerbare Energien für mehr als 60 Anlagen verantwortlich. Etwa die Hälfte davon sind Wasserkraftwerke. Historisch gesehen ist die Wasserkraft seit mehr als einem Jahrhundert eine der wichtigsten Energiequellen im Bundesland Salzburg. Welche Bedeutung sie hat und was noch optimiert werden kann, erzählt Markus Matschl im lebenswelten-Interview.

Inhaltsverzeichnis

Während früher laufend neue Kraftwerke gebaut wurden, arbeitet das Team der Salzburg AG heute verstärkt auch daran, die Energieeffizienz der bestehenden Kraftwerke durch verschiedene Maßnahmen weiter zu steigern und diese an neue Umfeldbedingungen anzupassen. Schließlich spielt die Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaziele.

Relevanz im Jahreszyklus

lebenswelten: Welche Relevanz hat die Wasserkraft im Energiemix der Salzburg AG?

Markus: Die Wasserkraft spielt eine wesentliche Rolle. Im Durchschnitt erreichen wir einen Eigenerzeugungsanteil aus Wasserkraft von rund 80 Prozent. Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieformen ist dies bereits ein beachtlicher Anteil. Die thermischen Anlagen liegen derzeit bei knapp 20 Prozent und die Photovoltaik ist deutlich im Kommen, aber insgesamt noch im Bereich von knapp 1 Prozent der Gesamterzeugung. Es ist wichtig, möglichst große Mengen mit einer relativ kostengünstigen bzw. wirtschaftlichen Energieerzeugungsform wie der Wasserkraft abzudecken. Zudem bieten die Speicherkraftwerke auch eine gewisse Flexibilität, um kurzfristige Bedarfsschwankungen auszugleichen. Im Gesamtenergiemix hat die Wasserkraft den Vorteil, dass sie erneuerbar und damit klimafreundlich ist.

 

lebenswelten: Wie unterstützt Wasserkraft ganzjährig die Stromproduktion?

Markus: Die Wasserkraft bietet ideale Möglichkeiten die Stromproduktion auch saisonal zu verschieben. Somit können wir mit der vorhandenen Speicherkraft den natürlichen Rückgang der Stromproduktion im Winter teilweise ausgleichen. Spannend ist, dass der Klimawandel nach derzeitigem Erkenntnisstand langfristig zu einer jahreszeitlichen Entschärfung dieser Problematik führen wird. In Zukunft wird erwartet, dass Trockenheit und Erwärmung zu einem Rückgang der Produktion im Sommer führen. Im Winter hingegen wird mit einem allmählichen Anstieg gerechnet. Natürlich wird der Sommer insgesamt ‚stärker‘ bleiben als der Winter, aber das ist ein sehr interessanter Trend.

Im Sommer ist es derzeit so, dass wir in der Produktion sogar teilweise überdeckt sind bzw. nahe an der Volldeckung sind. Im Winter hingegen sind wir eher unterversorgt. Das wird langfristig ein Punkt sein, wo man dann andere erneuerbare Energieformen braucht, um das auszugleichen.

Fototermin mit Markus Matschl (Head of Renewable Generation; Energy Technologies at Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation) beim Wasserkraftwerk Sohlstufe Lehen in der Stadt Salzburg, Österreich. © Georg Kukuvec/Salzburg AG
Markus Matschl, Leiter erneuerbarer Energie der Salzburg AG, ist seit über 30 Jahren im Bereich Wasserkraft tätig. © Georg Kukuvec /Salzburg AG

Verlässlichkeit und Konstanz

lebenswelten: Wasserkraft kommt demnach im Bundesland Salzburg eine immense Bedeutung zu. Wie würdest du diese beschreiben?       

Markus: Wenn man das ganze Bundesland betrachtet, ist die Wasserkraft für die Energieerzeugung unglaublich wichtig. Neben unseren Anlagen gibt es ja noch die großen Verbund- und ÖBB-Kraftwerke und viele Kleinkraftwerke. Das Entscheidende für die Zukunft ist, dass wir diese Energieform mit anderen erneuerbaren Möglichkeiten gut ergänzen. Zum Beispiel sind PV und Wind eine ideale Ergänzung zu unseren Pumpspeicherkraftwerken, weil man damit eine Überproduktion oder auch eine Unterproduktion zu bestimmten Spitzenzeiten ausgleichen kann. Schon jetzt gibt es im Sommer Wochenenden, an denen so viel PV-Strom produziert wird, dass wir unsere Pumpspeicher damit ‚füllen‘ müssen.

Die Wasserkraft alleine kann das aber nicht leisten – wir brauchen in Zukunft andere Speichermöglichkeiten, sei es in Form von Wasserstoff oder durch eine intelligente Nutzung der E-Mobilität. Hier liegt noch viel Potential brach. Und gerade die PV-Energie hat das ‚Symptom‘, dass sie genau dann noch mehr Energie produziert, wenn normalerweise keine zusätzliche Energie benötigt wird, also um die Mittagszeit in den warmen Monaten. Diese Energie muss in Zukunft durch intelligente Speicherlösungen auch nachts oder in sonnenarmen Zeiten verfügbar gemacht werden.       


lebenswelten: Die Wasserkraft ist bereits seit Langem eine verlässliche Energieform des Bundeslands Salzburg. Welche Erfahrungen wurden dabei bereits gemacht?         

Markus: Wir können mit Stolz sagen, dass wir schon sehr lange Wasserkraft nutzen. So haben wir gerade 125 Jahre Kraftwerk Eichetmühle gefeiert. Das ist ein Kleinkraftwerk mit einer Produktion von knapp einem GWh im Jahr. Die eingesetzte Technik hat sich damals wie heute bewährt. Später in diesem Jahr feiern wir auch das 100-jährige Bestehen des Bärenwerks. Dieses Kraftwerk produziert mit jährlich rund 66 GWh schon deutlich mehr und war zur Zeit seiner Erbauung eines unserer ersten Großkraftwerke. Heute ist es eher eines der kleineren in unserem Portfolio.

Das zeigt: Auf die Wasserkraft ist Verlass! Und gerade jetzt, wo der Ausbau schon ziemlich ausgereizt ist, ist es umso wichtiger zu sehen, dass unsere alten Anlagen noch gut in Schuss sind und zuverlässig Energie für uns produzieren.

Optimierungsmöglichkeiten

lebenswelten: Wie kann die Wasserkraft dennoch noch optimiert bzw. deren Energieerzeugung erhöht werden? Markus: Wir haben im Land Salzburg bereits einen sehr hohen Ausbaugrad im Bereich der Wasserkraft erreicht. Es gibt nicht mehr viele Möglichkeiten. Es gibt zwar noch das eine oder andere Projekt, wie das derzeit in Umsetzung befindliche Kraftwerk Stegenwald oder das geplante Kraftwerk Golling, aber es wird immer schwieriger. Wir beschäftigen uns daher sehr stark mit der Revitalisierung von Anlagen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Kraftwerk Rotgülden. Bei diesem bestehenden Kraftwerk wurde der Standort verlegt und damit eine höhere Produktion und ein positiver Effekt für den Gewässerschutz erzielt. Durch die Beseitigung der so genannten Schwallstrecke bleibt die Wasserführung des Flusses vor dem Kraftwerk besser für die Umwelt.

 

lebenswelten: Das heißt es sind eher technische Optimierungen, die hier noch zu Verbesserungen führen?

Markus: Zum Teil ja. Natürlich gibt es moderne Technologien, die die Wasserkraft noch effizienter machen. Man muss aber sagen, dass der Wirkungsgrad eines modernen Turbinenrades schon deutlich über 90 Prozent liegt. Das heißt, das eine oder andere Prozent kann man vielleicht noch herausholen. Woran wir aber viel stärker arbeiten, sind Maßnahmen im Bereich der Revitalisierung, also die Optimierung von Fallhöhen oder nutzbaren Wassermengen. Auch der Gewässerschutz steht hier im Fokus.       

2022 wurde das Krafthaus in Rotgülden neu gebaut und durch eine neue Turbine auch in der Leistung verstärkt. © Marc Haader/Salzburg AG
2022 wurde das Krafthaus für das KW Rotgülden neu gebaut und durch eine neue Turbine auch in der Leistung verstärkt. © Marc Haader/Salzburg AG

Herausforderungen und Chancen

lebenswelten: Welche Veränderungen bzw. Herausforderungen kommen auf die Wasserkraft zu?

Markus: Der Klimawandel selbst führt zu einer Veränderung der Niederschlagsereignisse. Sie kommen in weniger gut verarbeitbarer Form, d.h. immer häufiger als Hochwasserereignisse. Dazwischen gibt es immer längere Trockenperioden, die erst zu einer Überproduktion und dann zu einer Unterproduktion führen. Generell gibt es einfach viel mehr Extremereignisse in kürzerer Zeit. Das führt zu einer Belastung sowohl für die Menschen als auch für die Anlagen.

Ein weiterer Punkt ist die Zunahme von Geschiebe in den Gewässern. Das betrifft sowohl die Speicher im Gebirge als auch die Fließgewässer wie Salzach oder Saalach. Die Zunahme des Geschiebes führt hier schnell zu Implikationen für den Hochwasserschutz. Bei Flusskraftwerken beispielsweise führt dies auch zu einem Verlust an Fallhöhe und zu einer geringeren Produktion als bisher.

Das spiegelt sich auch in unserer Strategie wider, die im Bereich Ausbau Erneuerbare einkalkuliert, dass die Wasserkraft für die Bestandsanlagen in den nächsten Jahrzehnten einen gewissen Erzeugungsrückgang hinzunehmen haben wird, den wir überkompensieren müssen. Wir können uns hier nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen, sondern um die Kraftwerke herum muss zukünftig wieder mehr passieren.

 

lebenswelten: Was meinst du mit „um die Kraftwerke herum“?         
Matschl: Man darf nicht vergessen, dass es bei einem Wasserkraftwerk anders ist als zum Beispiel bei einem Heizkraftwerk. Dort spielt sich fast alles im Kraftwerksgebäude ab. Bei der Wasserkraft ist das anders, da spielt der Rückstau des Flusses eine Rolle, da gibt es Speicherbauwerke, Wasserfassungsbauwerke, Fischaufstiegshilfen und vieles mehr. All das gehört zum Kraftwerksbetrieb und wird tendenziell immer umfangreicher und aufwendiger.

Was bisher eher als selbstverständlich hingenommen wurde oder wo nicht so viel Aufwand investiert werden musste, dorthin verschiebt sich jetzt der Fokus. In Richtung Fluss, in Richtung Stauanlagen, wo man sich damit beschäftigen muss und die Probleme lösen muss, die dort auf uns zukommen.

 

lebenswelten: Stichwort „sonnenarm“ – da denkt man natürlich direkt an die Unterschiede in der Stromprodukion im Winter vs. Sommer. Wie kann man diese Herausforderung angehen?

Markus: Natürlich werden auch große saisonale Speicher benötigt, um die Energiemengen sinnvoll zu verteilen. Bei der Wasserkraft geschieht dies bereits durch sogenannte Jahresspeicher. Hier muss man natürlich schauen, wieviel Potential es noch gibt und was man noch machen kann. Ein wichtiges Thema ist in diesem Zusammenhang auch das Abschmelzen der Gletscher, die früher einen Teil des Wassers gebunden haben. Durch den Verlust der Gletscherflächen bleibt auch der dort fallende Schnee weniger lange liegen und fließt schneller ab. Mit anderen Worten: Es kommt immer häufiger zu kurzen, aber heftigen Spitzen.

Das sind nur einige der Herausforderungen, die auf uns zukommen. Es braucht aber auch einen gewissen politischen und auch gesellschaftlichen Willen, dass im Bereich der Wasserkraft etwas getan wird. Wir bleiben dran!

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