Politikberater Dr. Thomas Hofer war im Rahmen des ersten Salzburg AG-Zukunftstalks #futurenow als Gastredner eingeladen. lebenswelten traf ihn zu einem Exklusiv-Gespräch. Welches neue Narrativ aus seiner Sicht wichtig wäre und was er mit der zunehmenden „Emokratie“ in unserem Land meint, ist in dem Interview nachzulesen.
lebenswelten: Wenn wir uns die aktuelle Situation in Europa ansehen, beispielweise mit dem Ukraine-Krieg, der Klimakrise, der hohen Inflation. Gab es so etwas Vergleichbares schon mal?
Thomas Hofer: Ein solches dramatisches Aufeinandertreffen von unterschiedlichsten Krisen gab es bisher in der Form seit der Nachkriegszeit noch nie. Das verunsichert die Menschen und bringt sie teilweise nicht nur in eine wirtschaftliche Notsituation, sondern auch in eine psychische. Viele stehen unter Druck, sind getrieben und fühlen sich in einer Welt der Instant-Kommentierung berufen, hier mit zu tun. Das bestimmende Element ist nicht mehr das Faktum, sondern die Emotion und da leider immer öfter eine negative. Meiner Meinung nach schlittern wir aus der Demokratie zunehmend in eine Emokratie, die sich entlang einer hochgejazzten Emotionalität ausrichtet und wenig Platz für einen sachlichen Diskurs bietet.
lebenswelten: Was bedeutet das für unser Miteinander, unsere Kommunikation?
Thomas Hofer: Die Gesellschaft, die politische Landschaft, Unternehmen und auch Medien müssen lernen damit umzugehen. Das Postulat, Entscheidungen für alle verträglich, nachvollziehbar und adäquat zu machen, ist kaum einzuhalten. Emotion durch Fakten zu deeskalieren ist ganz schwer. Eines darf man aber nicht, nämlich so tun, als sei eh alles normal und als müsste man nicht eigene, frühere Positionen auch hinterfragen. Als Beispiel möchte ich hier die krisenadäquate Sprache des deutschen Vizekanzlers und Ministers Robert Habeck nennen. Mittlerweile schlingert auch er, aber zu Beginn hat er klar zur Situation kommuniziert und nicht versucht, Dinge zu beschönigen. Hier sind wir auch bei der Frage, ob die Wahrheit der Öffentlichkeit zumutbar ist. Die Antwort darauf ist, zumindest in der politischen Kommunikation, keine einfache. Für Unternehmen gilt es aus meiner Sicht, sich mittels Daten und Fakten klar zu positionieren. Und eben die emotionale Ebene nicht außer Acht zu lassen – da aber dann zu versuchen, Positives in den Vordergrund zu stellen.
lebenswelten: Könnte ein Unternehmen wie zum Beispiel die Salzburg AG diese Position des faktenbasierten Kommunikators einnehmen?
Thomas Hofer: Definitiv. Wobei sie aufgrund der Preissituation am Energiemarkt, in der sie selber nur Passagier ist, zunehmend zum potenziellen Adressat negativer Emotionen wird. Trotzdem braucht es klare Fakten und deutliche Erklärungen – etwa zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, wie Sonne, Wind oder Wasser. Warum ist das notwendig? Gerade da herrscht oftmals noch das Floriani-Prinzip, diese Not-in-my-backyard-Haltung. Daher ist es wichtig, diese Fragen zu stellen und zwar nicht so sehr aus Unternehmenssicht, sondern aus gesellschaftspolitischer Sicht. Das muss verstärkt gemacht werden, um hier eine qualifizierte Mehrheit zu finden, die bei der Energiewende mitmacht. Insofern sind die Kriegsfolgen gerade ein Beschleuniger, denn viele wollen so schnell wie möglich aus fossilen Brennstoffen aussteigen und in der Stromerzeugung unabhängiger werden. Das lässt sich mit dem Digitalisierungsschub in der COVID-Krise vergleichen. Plötzlich war Homeoffice kein Thema mehr und vorher scheiterte der Wunsch danach oftmals am Thema Sicherheit und der Firewall. Uns war der Wert von Energie nicht mehr bewusst. Sie war immer da und vor allem durch die Abhängigkeit von russischem Gas auch billig. Das hat sich jetzt alles verändert. Jetzt braucht es auch regionale Lösungen und das können zum Beispiel partizipative Energiegemeinschaften sein.
lebenswelten: Wo sehen Sie die größten Chancen für Energiegemeinschaften?
Thomas Hofer: Energiegemeinschaften und Crowdfunding-Kampagnen für derartige Anlagen können durch die Beteiligung auch eine Involvierung und vielleicht sogar eine Art von Identifikation schaffen. Ich beteilige mich als „Betroffener“ am Entstehungsprozess bzw. am Projekt selbst. Das ist die eine Seite, wenn Bürger:innen Vorbehalte gegen derartige Anlagen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft haben. Auf der anderen Seite ermöglichen es beide Maßnahmen dem Einzelnen, sich aktiv an der Energiewende durch den Ausbau sauberer Energie zu beteiligen. Das kann die Antwort sein auf die Frage: Was kann ich als Einzelner denn schon beitragen? Wichtig dabei ist aus meiner Sicht, dass all jene die wollen, dabei sein können. Die soziale Frage muss geklärt sein. Dann kommt noch dazu, dass durch die aktuelle Situation die Energiepolitik voll im Fokus des allgemeinen Interesses steht. Diese Welle sollte man ausnutzen.
lebenswelten: Was braucht es jetzt?
Thomas Hofer: Wir brauchen ein neues Narrativ für den Energiewandel. Erinnern wir uns an die Gründungsjahre der zweiten Republik, da war alles getragen von der Aufstiegserzählung, dass es den Kindern und Kindeskindern einmal besser gehen soll. Gerade der Aufbau der Infrastruktur war identitätsstiftend. Die Fragen – Was ist gelungen? Was ist entstanden? – waren eindeutig zu beantworten. Heute haben wir zwar mehr Wohlstand, aber der Glaube an diese Ursprungserzählung geht angesichts der aktuellen Entwicklungen verloren. Da braucht es eine Erneuerung des Narrativs, eine, die uns die Energiewende, die Investitionsprogramme dafür erklärt. Wobei dies nur auf das Thema Autarkie zu beschränken, fände ich im Sinne des europäischen Gedankens und der Vernetzung des Systems nicht richtig. Vielmehr geht es darum, diesen sinnstiftenden Zugang global zu schaffen und ihn vielleicht regional runter zu brechen mit der Botschaft: Beginnen wir mal in Österreich. Das heißt, die Krise nicht kleinreden, sondern sie mit Offenheit und Klarheit kommunizieren, aber gleichzeitig mit einer Zukunftserzählung die Menschen über Projekte, wie etwa die Energiegemeinschaften mitzunehmen. Die Notwendigkeit der Veränderung erklären, den Menschen zeigen, worin ihre aktive Teilnahme an der Energiewende liegen kann, eine Community zu formen. Derzeit kommunizieren wir die Klimakrise ausschließlich negativ. Das erhöht nicht gerade die Chance, dass die Menschen sich aktiv an Lösungen beteiligen.
lebenswelten: Das heißt, in der Zukunftserzählung die schwierige Situation klar zu benennen, aber auch das Positive nicht zu vergessen.
Thomas Hofer: Genau. Ich möchte in dem Zusammenhang eine mittlerweile abgedroschene Phrase verwenden und mich zugleich dafür entschuldigen, die da lautet: Jede Krise ist auch eine Chance. Energie hat eine neue Wertigkeit bekommen, damit kann man schon auch arbeiten.